"Wir bereiten den Konzern auf harte Zeiten vor"
Nach der Veröffentlichung vorläufiger Zahlen am 27. Oktober hat die Deutsche Post World Net heute detaillierte Zahlen für das dritte Quartal 2008 veröffentlicht. Dabei stellte der Konzern einen umfassenden Maßnahmenkatalog zur Steigerung der Profitabilität in allen Konzernbereichen vor. Im Gespräch mit DPWN News kommentiert Finanzvorstand John Allan die Ergebnisse für das dritte Quartal und die Konzernentwicklung im Umfeld der aktuellen konjunkturellen Herausforderungen.

DPWN News: Herr Allan, die Deutsche Post World Net hat heute umfangreiche Maßnahmen zur Steigerung der Profitabilität bekannt gegeben. Was sind die Gründe für dieses entschlossene Vorgehen?
Allan: Wir liegen bei unseren wichtigsten Themen voll im Plan. Unsere Fortschritte bei den im Mai vorgestellten Restrukturierungsmaßnahmen in den USA liegen über den Erwartungen, wir haben den Verkauf der Postbank zu vorteilhaften Konditionen vereinbart, und die Umsetzung unseres Kapitalmarktprogramms Roadmap to Value kommt sehr gut voran. Aber die Welt ist heute nicht mehr dieselbe wie noch in der ersten Jahreshälfte.
Die Konjunktur hat sich in wichtigen Märkten rund um die Welt verschlechtert, insbesondere in den USA. Daher haben wir den Rückzug aus dem inländischen Luftfracht- und Bodentransportgeschäft von DHL Express in den USA beschlossen, um die Risiken zu minimieren. Außerdem werden wir die Initiativen der Roadmap to Value intensivieren, um den Konzern auf die bevorstehenden harten Zeiten vorzubereiten.
DPWN News: Bedeutet die heutige Ankündigung, dass der konjunkturelle Abschwung ihr Geschäft stärker unter Druck setzt?
Allan: Die heute vorgestellten Maßnahmen sollen die Deutsche Post World Net auf die kommenden konjunkturellen Herausforderungen vorbereiten. Wir haben beschlossen, lieber jetzt als später die entsprechenden Entscheidungen zu fällen und gehen dabei sehr realistisch mit der Frage um, wo der Konzern heute steht. Im Ergebnis werden wir dadurch zu einem schlankeren und effizienteren Unternehmen, das sich klar auf seine Kernkompetenzen konzentriert.
Mit unserer globalen Präsenz, unserer starken Stellung in Wachstumsregionen, unserem umfassenden Serviceportfolio und unserer soliden Finanzbasis verfügen wir über eine ausgezeichnete Ausgangsposition, um Chancen für profitables Wachstum wahrzunehmen, sobald sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder verbessert haben.
DPWN News: Sie haben gesagt, Sie würden ihr Kapitalmarktprogramm Roadmap to Value intensivieren. Wie passt das ins Bild?
Allan: Wir sind mit dem bisher erreichten Fortschritt sehr zufrieden. Mit Blick auf die Erreichung der für dieses Jahr geplanten 500 Millionen Euro an Effizienzverbesserungen liegen wir gut im Plan. Bis Anfang 2009 werden wir durch die Veräußerungen von nicht-strategischen Vermögenswerten insgesamt über 4,4 Milliarden Euro in Cash erlöst haben. Das liegt weit über unserem ursprünglichen Ziel, und auch die Verbesserungen beim Working Capital liegen im Plan.
Angesichts des hochgradig volatilen Marktumfelds und des eher trüben Ausblicks für die Wirtschaft haben wir uns allerdings entschieden, unser Roadmap to Value-Programm noch weiter zu intensivieren. Wir streben nun eine Reduzierung der Betriebs- und der Gemeinkosten um insgesamt 1 Milliarde Euro bis Ende 2010 an. Im Anschluss an eine rigorose interne Benchmarkanalyse wollen wir die Effizienz in unserem Corporate Center, in den operativen Bereichen und im Bereich Global Business Services verbessern.
DPWN News: Welchen Fortschritt haben Sie in den anderen Bereichen der Roadmap to Value erzielt?
Allan: Wir haben uns bei der Ankündigung vorgenommen, ertragsschwache Geschäftsbereichen rigoros anzupacken. Unsere heutige Meldung zum Expressgeschäft in den USA verdeutlicht, dass wir bereit sind, hier harte Entscheidungen zu treffen. Wir haben darüber hinaus versprochen, dass wir die Transparenz verbessern würden.
Dies haben wir mit der Entflechtung des früheren Unternehmensbereiches SERVICES und mit der Publikation detaillierterer Kennzahlen getan. Durch die Umgliederung der erwarteten Vermögenserträge aus Altersvorsorgeplänen aus dem Konzern-EBIT in das Finanzergebnis und durch die Entkonsolidierung der Postbank nach Abschluss der Transaktion werden wir die Transparenz weiter verbessern.
DPWN News: In der Roadmap to Value wird auch die Ausrichtung auf organisches Wachstum hervorgehoben. Ist im derzeitigen Marktumfeld überhaupt noch Wachstum möglich?
Allan: Unser Ergebnis für das dritte Quartal belegt unsere Fähigkeit, auch unter schwierigen Bedingungen organisch zu wachsen. Unser organisches Wachstum belief sich auf 7,2 Prozent, was ich für ein sehr solides Ergebnis halte. Dabei zahlen sich unsere starken Marktpositionen in den Schwellenländern deutlich aus: Im dritten Quartal lag unser organisches Wachstum dort bei mehr als 20 Prozent und damit wesentlich höher als im Konzerndurchschnitt.
Wachstumstreiber waren vor allem Osteuropa, der Nahe Osten und Asien. Unsere Ausrichtung auf organisches Wachstum zeigt sich auch in den sehr niedrigen M&A-Ausgaben in den ersten drei Quartalen. Wir verfügen über eine hervorragende globale Logistikplattform und wollen deren Potenzial konsequent realisieren.
DPWN News: Sie haben im Oktober die Prognose für das EBIT vor Einmaleffekten herabgesetzt. Können Sie die wichtigsten Faktoren, die das EBIT vor Einmaleffekten in den ersten neun Monaten beeinflusst haben, erläutern?
Allan: Wir haben das EBIT vor Einmaleffekten in den ersten neun Monaten um 1,3 Prozent auf 1,65 Milliarden Euro gesteigert. Der Unternehmensbereich FORWARDING/FREIGHT leistete hier den wesentlichen positiven Beitrag mit einem starken Wachstum des EBIT vor Einmaleffekten von 26 Prozent in den ersten neun Monaten. Das EBIT vor Einmaleffekten im Unternehmensbereich SUPPLY CHAIN/CIS legte um erfreuliche 11 Prozent zu, wenn man es um negative Währungseffekte bereinigt.
Obwohl das EBIT vor Einmaleffekten im Unternehmensbereich MAIL bedingt durch Kostensteigerungen und das aktuelle Marktumfeld rückläufig war, leistete dieser Bereich dennoch weiterhin den größten Ergebnisbeitrag. Im Unternehmensbereich EXPRESS ging die Rendite zurück, was angesichts der Lage in den USA nicht verwundern sollte.
DPWN News: Welches Bild ergibt sich für das dritte Quartal?
Allan: Bei der Profitabilität der einzelnen Unternehmensbereiche ergibt sich für das dritte Quartal praktisch das gleiche Bild wie für die ersten neun Monate. Die Bereiche FORWARDING/FREIGHT und SUPPLY CHAIN/CIS trugen zum Wachstum des EBIT vor Einmaleffekten bei.
Auf Konzernebene ging das EBIT vor Einmaleffekten im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal jedoch um 8,5 Prozent zurück und spiegelt damit die deutliche Abschwächung der Kundennachfrage auf relativ breiter Front wider.
DPWN News: Hat die Postbank in den ersten neun Monaten zum EBIT beigetragen?
Allan: Der Unternehmensbereich FINANZ DIENSTLEISTUNGEN wird nun als aufgegebener Geschäftsbereich ausgewiesen. Die Ergebnisse dieses Bereichs fließen damit nicht mehr in das Konzern-EBIT ein, sondern sind nur noch im Periodenergebnis enthalten.
DPWN News: Welchen Ausblick geben Sie auf das vierte Quartal?
Allan: Wir sind mit Blick auf das vierte Quartal recht vorsichtig und erwarten nicht das starke Quartal, dass wir in normalen Jahren verzeichnen. Nehmen Sie beispielsweise Supply Chain: Hier erwarten wir über Weihnachten längere Werksschließungen bei diversen Industriekunden, vor allem in der Automobilindustrie.
Im Bereich Forwarding gehen die Volumina in der Luftfracht leicht zurück, während die Seefracht weiterhin stark wächst. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass wir im vierten Quartal auch eine Abschwächung bei den Volumina in der Seefracht sehen werden.
DPWN News: Welche Regionen sind von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffen?
Allan: Ich denke, wir sprechen hier über ein globales Phänomen. Wir sehen durchaus eine Verbindung zwischen den sogenannten entwickelten Märkten wie den USA und Westeuropa und den schnell wachsenden Märkten wie China. Die einzige Region, in der wir bislang keine Abschwächung gesehen haben, ist der Mittlere Osten. Dies kann sich infolge des Rückgangs des Ölpreises jedoch ändern.
DPWN News: Warum gehen Sie nun von einem Nettoverlust für das Jahr 2008 aus, obwohl der Nettogewinn für die ersten neun Monate 1,46 Milliarden Euro beträgt?
Allan: Das ist natürliche keine gute Nachricht für unsere Aktionäre - es ist jedoch zunächst nur ein berichteter Periodenverlust. Es handelt sich um eine Folge unserer Entscheidung, bei der Restrukturierung in den USA sehr konsequent vorzugehen. Dies führt zu höheren Kosten von 3 Milliarden Euro. Wir sind bereit, diese Kosten heute zu akzeptieren, weil sie unser Ergebnis künftig verbessern werden.
Der zweite Grund für die negative Trendwende im Periodenergebnis sind einmalige Belastungen in anderen Geschäftsbereichen in Höhe von 400 bis 500 Millionen Euro sowie mögliche Abschreibungen des Goodwill und immaterieller Vermögenswerte in Höhe von 1 Milliarde Euro im Unternehmensbereich SUPPLY CHAIN/CIS. DHL Exel Supply Chain könnte nach Abschluss der Integration Abschreibungen auf die Marke Exel sowie aufgrund der wirtschaftlichen Aussichten auf einige immaterielle Vermögenswerte vornehmen. Der Bereich CIS leidet unter dem Zusammenbruch ehemaliger Kunden in der amerikanischen Finanzdienstleistungsbranche.
DPWN News: Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf die Gesamtwirtschaft. Ihre Meldung von heute lässt erkennen, dass Sie mit dem Schlimmsten rechnen. Stimmt das?
Allan: Das aktuelle wirtschaftliche Umfeld ist durch hohe Volatilität und geringe Visibilität gekennzeichnet. Klar ist, dass die Deutsche Post World Net ebenso wie ihre Wettbewerber und Unternehmen in zahlreichen anderen Sektoren schwierigen Zeiten entgegen sieht. Neben der Analyse unserer eigenen Prognosen haben wir auch die Entwicklungen in anderen Branchen sehr genau verfolgt.
Mit Sorge hat uns dabei insbesondere erfüllt, wie schnell die Nachfrage in einigen Branchen gefallen ist. Wir sind deshalb sehr vorsichtig geworden und haben die Entscheidung getroffen, die Deutsche Post World Net bestmöglich auf den Abschwung vorzubereiten - und zwar schnell. Natürlich hat das seinen Preis. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir stärker als zuvor sein werden, wenn der Markt wieder zu fundamentalem Wachstum zurückfindet. Langfristig bleibt unsere Branche sehr attraktiv.