Chiemsee statt Atlantik: Der Postbote aus Übersee
Leben und Arbeiten in Übersee: Das klingt für die meisten Menschen nach Abenteuer. Nach Dollar, anderer Zeitzone und Fast Food, nach Highways und Hollywood. Johann Lapper ist Zusteller in Übersee. Für ihn bedeutet der Name vor allem eins: Heimat. Und die liegt mitten in Bayern.

Für Kollegen von außerhalb ist es manchmal schwer zu glauben, aber Johann Lapper stellt tatsächlich in Übersee zu - und das liegt mitten in Oberbayern.
Johann Lappers Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ist nicht Amerika, sondern der Ort Übersee im Chiemgau: Eine Gemeinde im Landkreis Traunstein mit knapp 5.000 Einwohnern. Idyllisch am Ufer des Chiemsees gelegen, dem der Ort auch seinen Namen verdankt, ist Übersee vor allem ein beliebtes Ausflugs- und Urlaubsziel: Ältere Touristen schätzen das angenehme Klima des Luftkurorts, jüngere Semester pilgern Jahr für Jahr zu Tausenden zum "Chiemsee Summer", einem Open-Air-Festival, das in Übersee stattfindet.
Lapper ist in Übersee geboren und aufgewachsen; er arbeitet seit 43 Jahren bei der Deutschen Post. Als Verbundzusteller bringt er Briefe und Pakete vom Zustellstützpunkt aus zu den Einwohnern von Übersee. Zudem kümmert er sich als Teamleiter um die Einhaltung von Qualitätsvorgaben sowie die Einsatzplanung und steht seinen Kolleginnen und Kollegen vor Ort als Ansprechpartner zur Verfügung.
Der ungewöhnliche Name seiner Heimatgemeinde hat in Lappers Arbeitsalltag schon häufiger für Verwunderung gesorgt. Nicht bei den Kunden, die ja selbst Überseer sind, sondern bei den Kollegen: Zum Beispiel, wenn er auswärts an Fortbildungsseminaren teilnimmt, was als Teamleiter regelmäßig vorkommt. Wenn er sich in der Runde als "Johann Lapper aus Übersee" vorstellt, erntet er von den Kolleginnen und Kollegen aus dem Rest der Republik meist erstaunte Blicke. "Da wird dann schon oft nachgefragt", erzählt Lapper. Und er erinnert sich auch noch gut daran, wie er vor Jahrzehnten, noch zu Zeiten der Bundespost, am Postschalter gearbeitet hat und dort aufgenommene Telegramme telefonisch an die nächste Dienststelle übermitteln musste. "Wenn ich am Telefon ‚Übersee' gesagt habe, dachten die Kollegen immer, sie hätten sich verhört und haben erst mal mit ‚Wie bitte?' geantwortet.", erinnert sich Lapper. Zu dieser Zeit kamen auch noch stapelweise Sendungen in Übersee an, die eigentlich für den hohen Norden bestimmt waren. Johann Lapper erklärt, warum: "In Hamburg gibt es eine Straße namens Übersee-Ring, und zur Zeit der manuellen Briefsortierung haben sich immer wieder Briefe zu uns verirrt, die eigentlich dorthin gehen sollten. Dank der Sortiermaschinen kommen solche Irrläufer heute allerdings nur noch ganz selten vor."
Im "anderen" Übersee war Johann Lapper übrigens auch schon: Als Urlauber in Florida und der Karibik. "Meine Erfahrungen als Überseer haben mir da aber auch nicht viel genutzt", scherzt Lapper.